Der Menschenwürde eine Stimme

Rubrik: Elternverein

Täglich beschäftigen uns im Verein ethische Fragen. Es war Zeit für eine gemeinsame Diskussion. Im April war das erste Treffen, pünktlich am Vorabend der Bundestagsdebatte zu den Bluttests in der vorgeburtlichen Diagnostik. Der Ethikkreis, intensiv im Austausch und offen für weitere Mitglieder, sprach sich für mehr Beratung von Eltern und gegen einen Optimierungswahn aus, nachzulesen in den Sozialen Medien und hier bei Leben mit Behinderung Hamburg.

Der Austausch der zwei Dutzend Beteiligten, darunter aktuelle und ehemalige Vorstandsmitglieder, war getragen von Fakten und Erfahrungen: Die aktuelle Frage nach der Krankenkassenfinanzierung von vorgeburtlichen Bluttests steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Verantwortung von Ärzten und Fachleuten, Eltern gut zu beraten. Mit einem Test auf das Down-Syndrom und andere genetische Eigenschaften als Standard wie die Ermittlung des PH-Wertes wird Beratung geschwächt. Wie Eltern mit einem für sie problematischen Ergebnis umgehen, bleibt eine Sache des Einzelfalls.

Außerdem vermittelt dieser Weg eine Scheinsicherheit. Abgesehen davon, dass Syndrome von den Menschen, die mit ihnen leben, gar nicht unbedingt als Behinderung empfunden werden: 98 % aller Behinderungen entstehen nachgeburtlich. Wie negativ das Bild einer vorgeburtlichen Optimierung weiterwirkt, erleben wir im Alltag. Ein Unding, wenn Mütter von Kindern mit Down-Syndrom sich dafür rechtfertigen müssen, dass sie nicht abgetrieben haben. Oder wenn Mütter von Kindern mit (irgendeiner) Einschränkung hören: „Konnte man das nicht verhindern?“

Im Ethikkreis wird es weiter um konkrete und grundsätzliche Fragen gehen: Was ist zu tun, um die Würde der Menschen zu wahren? Die volle Rechts- und Handlungsfähigkeit steht allen zu – wie entsteht dafür mehr Raum und Akzeptanz? Welche Sprache, welche Haltung wirkt Behinderungen entgegen?

Beim nächsten Ethikkreis am Mittwoch, den 14. August 2019, 18.00 Uhr – 20.00 Uhr  im Südring 36, 22303 Hamburg erörtern wir die Patientenverfügung – rechtliche und ethische Fragen. Mit der derzeit erwarteten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu dem Verbot geschäftsmäßiger Sterbehilfe wird auch dieser Termin einen aktuellen Bezug haben.